„Geld/Geldanlage“ Tabuthema für Deutsche
Eine Studie der Commerzbank mit dem Namen „Die Psychologie des Geldes“, die 2004 veröffentlicht wurde, zeigte auf, dass für 50% der Deutschen die Themen „Geld“ und „Geldanlagen“ tabu sind. Sie haben auch kein Interesse an der Börse, da sie laut Angabe der Befragten zu kompliziert, zu abstrakt oder schlecht für das eigene Image ist. Die Ursache hierfür liegt zum einen in massiven, kulturellen Barrieren und zum anderen in fehlenden ökonomischen Sachkenntnissen. Diese Haltung führt dazu, dass die vielfältigen Chancen, die durch Geldanlagen geboten werden, nicht genutzt werden. Stattdessen werden finanzielle Nachteile riskiert.
Jeder hat die Möglichkeit, Geld anzulegen
Schwierige Anlageentscheidung, weil Informationen stark differieren
Es ist schwierig, die richtige Geldanlage zu finden, vor allem, weil die Chancen und Risiken sich nur schwer abschätzen lassen. Die Tragweite einer Anlageentscheidung wurde durch den letzten Börsencrash, durch den viele Investoren enorme Verluste gemacht haben, deutlich gemacht. Aber er hat auch aufgezeigt, dass es essentiell für die Investoren ist, verwertbare Informationen über die Unternehmen, die sich über internationale Kapitalmärkte finanzieren, zu erhalten, um eine realistische Risikoeinschätzung vornehmen zu können. Diese Informationen sollten zum einen verständlich und nachvollziehbar und zum anderen vergleichbar sein, damit Chancen und Risiken beurteilt werden können. Die Vergleichbarkeit ist aber nur möglich, wenn es „einheitliche Spielregeln“ für die Unternehmen und eine „einheitliche Sprache“ für die Unternehmensinformationen gibt. Bisher waren die „Spielregeln“ für Unternehmen von Land zu Land verschieden. So gilt in Deutschland das Gesellschaftsrecht, das die „Spielregeln“ definiert, während dies in den USA vom Kapitalmarktrecht geregelt wird. Dies unterscheidet sich u.a. durch umfassendere Haftungspflichten vom deutschen Gesellschaftsrecht. Die EU versucht innerhalb Europas die nationalen Gesellschaftsrechte schrittweise zu harmonisieren. Der vorläufige Endpunkt dieser Anstrengungen ist die Einführung der „Europäischen Gesellschaft“ als mögliche Rechtsform. Sie macht es den Unternehmen möglich, in der gesamten EU als rechtliche Einheit aufzutreten und vereinfacht außerdem grenzüberschreitende Unternehmenskäufe und -verkäufe. Aber außerhalb der EU gibt es noch immer enorme Unterschiede bei den Rechten und Pflichten der Kapitalanleger. Dies wiederum erschwert den Vergleich der Unternehmen. Mit der „einheitlichen Sprache“ ist nicht gemeint, dass die Sprache in der Geschäftsberichte verfasst werden vereinheitlicht werden soll, sondern dass Bilanzen, Gewinn-und-Verlust-Rechnungen und Cashflow-Statements international vereinheitlicht werden sollten. Denn sie dienen als Instrumente zur Unternehmensanalyse und –beurteilung. Diese zunehmende Bedeutung der Bilanzdaten wird auch an den langjährigen Gefängnisstrafen, die bei Bilanzmanipulation drohen, deutlich. Aufgrund der fortwährenden Globalisierung sind einheitliche Regeln für die quantitative Abbildung des Unternehmensgeschehens unerlässlich.
Mehr Transparenz durch IFRS-Bilanzierung in Europa
Positiv ist zu vermerken, dass die Fragen der Bilanzierung in der EU im Jahr 2002 fundamental harmonisiert wurden. Seit 2005 müssen alle börsenorientierten EU-Unternehmen nach dem einheitlichen Bilanzierungssystem IFRS (International Financial Reporting Standards) den Bericht über ihre wirtschaftliche Lage anfertigen. Dies hat den Vorteil, dass Kapitalanleger sich einheitlich und vergleichend über die europäischen Unternehmen und deren Erfolge informieren können. Aber auch wenn es gelingt, die Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsregeln zu vereinheitlichen, so ist doch noch offen, wie die internationale uniforme Anwendung sichergestellt werden kann. Die Auslegung von harmonisierten Regeln, wenn diese etabliert werden können, kann sich wegen unterschiedlicher kultureller und sozioökonomischer Einflussfaktoren von Land zu Land unterscheiden. Eine andere Einschätzung eines Sachverhalts kann zu unterschiedlicher Bilanzabbildung führen, obwohl der Sachverhalt absolut identisch ist und trotz der Regeln. Dadurch wird die Vergleichbarkeit wiederum eingeschränkt und somit ist das Ziel der IFRS-Bilanzierung gefährdet.
Unterschiede in der Nutzung von Geschäftsberichten und Rechenwerken
Eine Studie des Lehrstuhls für Internationale Unternehmensrechnung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und der Deutschen Post AG beschäftigt sich u.a. mit der Frage inwieweit die Informationen aus Geschäftsberichten genutzt werden, da die Vorraussetzung dafür, einen Geschäftsbericht interpretieren zu können sind fundierte, ökonomische und fachspezifische Kenntnisse sind. Für diese Studie wurden Fragebögen an 800.000 private Aktionäre der Deutschen Post verschickt. 80.000 Aktionäre haben die Fragebögen beantwortet zurückgeschickt. Das Ergebnis auf die Frage, welche Quellen die Aktionäre zur Information nutzen, bevor sie sich zum Aktienkauf entscheiden, war, dass nicht etwa Geschäftsberichte zu Rate gezogen werden, sondern öffentliche Medien, wie die Presse. Der Grund dafür ist, dass die Privatanleger den Geschäftsbericht weder für sehr vertrauenswürdig noch für sehr verständlich halten. Diese Aussage ist beunruhigend, weil der Zweck der IFRS ist, Vertrauenswürdigkeit und Verständlichkeit zu generieren. Die Ursache für eine derartige Einschätzung der Geschäftsberichte liegt in der bereits hohen und sogar noch steigenden Komplexität der Geschäftsberichte. Diese liegt darin begründet, dass Unternehmenstransaktionen immer komplizierter werden und die Rechnungslegung zunehmend detaillierter werden. Außerdem hat das Vertrauen in die Informationen in den Geschäftsberichten durch Bilanzskandale gelitten. Ein weiterer Aspekt der Studie war, wie intensiv die einzelnen Bestandteile des Geschäftsberichts genutzt werden. Hierbei zeigte sich, dass die Bilanz und die Gewinn-und-Verlust-Rechnung für die Privatanleger die größte Rolle spielen. Die Kapitalflussrechnung und die Segmentberichterstattung werden meist nur oberflächlich analysiert und der Anhang wird so gut wie gar nicht genutzt, was dramatisch ist, da er dazu gedacht ist, die Zahlen in den anderen Bestandteilen zu erklären. Insbesondere die deutschen Anleger betrachten ihn als unbedeutend. Dies liegt daran, dass es ihm an Verständlichkeit mangelt. Die institutionellen Investoren nutzen den Anhang zwar intensiver, aber auch sie verlassen sich mehr auf die Rechenwerke. Im Gegensatz dazu nutzen internationale institutionelle Investoren aus den USA, den Niederlanden und Großbritannien die Kapitalflussrechnung, die Segmentberichterstattung und den Anhang sehr viel intensiver.
Ökonomischen Sachverstand und Informationseffizienz verbessern
Die IFRS-Rechnungslegung hat die Unternehmensberichterstattung zwar in punkto internationale Vergleichbarkeit der Unternehmensinformationen verbessert. Die Kapitalanleger können die Unternehmensinformationen aber wegen des hohen Detaillierungsgrad und der Komplexität nur begrenzt nutzen. Aus diesem Grund nehmen insbesondere deutsche Privatanleger ihre Informationsrechte nur in Ansätzen wahr. Da in Zukunft mehr Kapitalanleger die internationalen Kapitalmärkte in Anspruch nehmen werden, muss dieser unbefriedigende Zustand behoben werden. Dazu gibt Prof. Dr. Pellens zwei Handlungsempfehlungen. Erstens sollte die Bildungspolitik sich verstärkt darauf ausrichten, den ökonomischen Sachverstand zu erhöhen. Dann wären die Rechnungslegungsinformationen verständlicher und das Thema „Geld“ wäre kein Tabuthema mehr für die Deutschen. Zweitens könnten die Unternehmen die Informationsbereitstellung verbessern. Dazu müssen nicht mehr Informationen gegeben werden, sondern besser aufbereitete und auf die Adressaten zugeschnittene Informationen. Somit wird die Informationsversorgung der Kapitalgeber effizienter und eine bessere Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte ist auch gewährleistet.